Die Euro-Krise und die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer/innen

Veröffentlicht am 04.01.2012 in Europa

Lohnentwicklung in Deutschland bleibt weit hinter europäischen Vergleichsländern zurück
Die „Euro-Krise“ ist heute in aller Munde und in den öffentlichen Debatten sind die Rollen klar verteilt: Die Griechen und andere Länder mit hohem Schuldenstand hätten „über ihre Verhältnisse gelebt“ und Deutschland müsse jetzt die Zeche bezahlen.
Der SPD- Ortsverein hatte sich die Frage gestellt, welche Auswirkungen die Krise auf die Beschäftigten hat. Der „Rettungsschirm“ soll die überschuldeten Länder vor einer drohenden Insolvenz bewahren, aber grundsätzlich müsse auch die Frage gestellt werden, wer die Folgen der Krise schultern müsse. Deshalb hatte die SPD Griesheim Ende November zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in die Vereinsgaststätte des SC Viktoria eingeladen.

Ortsvereinsvorsitzender Rüdiger Mey konnte an diesem Abend als Referenten Hans Kroha begrüßen, Landesfachbereichsleiter Handel der Gewerkschaft Ver.di in Rheinland-Pfalz und ausgewiesener Tarifexperte, der die Tarifauseinandersetzungen der vergangenen Jahre sehr plastisch darstellen konnte und mit vielen Beispielen ein lebendiges Bild von den Zuständen in den Betrieben vermittelte.
Hohe Schulden durch Bankenrettung
Zu Beginn seiner Ausführungen erläuterte Hans Kroha anhand zahlreicher Statistiken die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation Deutschlands in den letzten Jahren. Fakt ist: die Verschuldung Deutschlands ist gestiegen und in der Statistik ist deutlich der Anstieg durch die Finanzkrise und in Folge die Kosten der Bankenrettung zu erkennen. Man kann davon ausgehen, dass allein in 2010 die Verschuldung Deutschlands durch die Kosten der Bankenrettung um 240 Mrd. Euro gestiegen ist – dies allein ist mehr als der deutsche Anteil am Europäischen „Rettungsschirm“.
Gleichzeitig lässt sich aber auch mit Zahlen belegen, dass die privaten Vermögen in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind und die Verschuldung des Staates deutlich übersteigen. D.h.: das Geld ist da – was aber noch nichts darüber aussagt, in welchen Taschen es denn steckt?
Betrachtet man dann aber in den letzten 10 Jahren die Entwicklung der Lohnquote, die ein wichtiger Indikator für die Einkommensverteilung in einem Land ist, so kann man erkennen, dass sie ständig gesunken ist. Kein Wunder, denn immer mehr Mini-Jobber, Leiharbeitnehmer oder Teilzeitarbeiter oder befristet Beschäftigte werden in der Wirtschaft beschäftigt, d.h., das Gesamt-Einkommen der abhängig Beschäftigten hat sich stetig verschlechtert.
Reallöhne im Keller: Deutschland ist Schlusslicht im europäischen Vergleich
Entsprechend katastrophal sieht auch die Entwicklung der Reallöhne in Deutschland aus: vergleicht man die Lohnentwicklung in Deutschland in mehr als 20 entwickelten Ländern, so bildet Deutschland das Schlusslicht mit einer negativen Lohnentwicklung (von -2,7 %), während in anderen Ländern die Steigerungsrate zwischen 6 und bis zu 29% (!) in den vergangenen 10 Jahren pendelt. Dazu gehören auch unter wirtschafts- und sozialpolitischen Gesichtspunkten vorbildliche Staaten wie Schweden oder Norwegen.
Ausgerechnet im reichen Deutschland hinken die Löhne weit hinter dem EU-Schnitt her. Ursache dafür ist, dass alle Bundesregierungen in den letzten zehn Jahren den Ausbau des Niedriglohnsektors politisch durchgeboxt haben. Wie dies im Bereich des Handels aussieht, konnte Referent Hans Kroha sehr anschaulich schildern, denn ein großer Teil der Beschäftigten bei den Discountern und anderen Billigketten arbeitet weit unter Tarif oder nach Niedrigtarifen. Es gibt gerade im Handel eine große Zunahme von Leiharbeit und Befristet- und Teilzeitbeschäftigter, und die Anzahl der festangestellten Vollzeitbeschäftigten ist in diesem Sektor stetig gesunken.
Für die Einführung eines Mindestlohns
Die Gewerkschaften treten daher gemeinsam mit der SPD für die Einführung eines Mindestlohnes ein, von dem die Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Auch die Leiharbeit müsse streng limitiert werden oder sie sollte am besten ganz verboten werden, war die Meinung der Diskussionsteilnehmer. Rüdiger Mey erläutert die Auswirkungen von Leiharbeit in einem Betrieb: „Die Leiharbeitnehmer erhalten einen deutlich niedrigeren Stundenlohn für ihre Arbeit – teilweise bis zu 3 € weniger pro Std. – als die festangestellten Beschäftigten, die nach regulärem Tarif bezahlt werden. Deshalb wird der /die Arbeitnehmer/in, die im Tarif arbeitet, auch nicht aufmucken, denn die Menschen haben Angst, auch in die Leiharbeit zu rutschen.“ Somit bedroht die Leiharbeit die Arbeitnehmer, die im Tarif arbeiten, und sie bedroht den Tarifvertrag selbst, denn die Unternehmer sagen dann bald: „Na also, es geht doch noch billiger!“ Diese Abwärtsspirale muss in Zukunft gestoppt werden, denn auch die Arbeitnehmer müssen teilhaben am wirtschaftlichen Aufschwung der letzten zwei Jahre.
Die Teilnehmer der SPD-Diskussionsrunde waren sich einig, dass den teilweise „frühkapitalistischen Zuständen“, wie sie sich in manchen Branchen im Verhältnis von Unternehmer und Arbeitnehmer zeigen, nur durch die Einführung eines Mindestlohnes und einer starken Einschränkung der Leiharbeit zu begegnen ist. „Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt stehen und nicht nur die Ware „Arbeit“! Es bleibt zu hoffen, dass die kommenden Tarifverhandlungen der Gewerkschaften hier wegweisend sein werden“, sagte Rüdiger Mey abschließend.

 

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