Europa braucht TTIP nicht

Veröffentlicht am 08.05.2016 in Presse

Öffentliche Diskussions- und Informationsverstaltung der SPD Griesheim am 20.04.2016

Zu einer spannenden Informations- und Diskussionsveranstaltung mit dem ehemaligen EU-Botschafter Herrn Christian Falkowski über Vorteile das transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP zwischen USA und der EU konnte SPD Ortsvereinsvorsitzender Sebastian Schecker am Mittwoch 20.04.2016 knapp 40 interessierte Bürgerinnen und Bürger in der Vereinsgaststätte des SC Viktoria begrüßen.

Christian Falkowski war lange Jahre als EU-Botschafter in mehreren Ländern tätig und konnte aus seiner Erfahrung heraus berichten, war er nämlich selbst an den Verhandlungen eines Freihandelsabkommens mit Südafrika beteiligt gewesen.

Sein dadurch gewonnenes umfangreiches Fachwissen wurde auch in seinem einleitenden knapp einstündigen Vortrag zu TTIP sowie in der Beantwortung von Fragen im Rahmen der anschließenden Diskussion deutlich.

 Sehr kompetent und sachlich ruhig konnte uns Christian Falkowski über Vor- und Nachteile von TTIP und den aktuellen Stand der Verhandlungen aufklären.

So machte er deutlich, dass die Verhandlungen aktuell auf der Stelle treten und es fraglicher denn je scheint, ob der Abschluss dieses transatlantischen Freihandelsabkommens kommen wird. Ursprünglich war geplant, das Abkommen noch innerhalb der Präsidentschaft Obamas abzuschließen, dieser Zeitplan ist aber nicht mehr einhaltbar, weil noch zu viele Punkte nicht ausverhandelt sind. Insbesondere die Republikaner vertreten im heranziehenden Präsidentschaftswahlkampf in den USA zunehmend nationalere Positionen und lehnen ein solches Abkommen ab. Ähnliche Tendenzen gibt es in Europa, wo die Europäische Kommission die Verhandlungen basierend auf einem damals noch vorherrschenden neoliberalen Zeitgeist euphorisch begonnen hatte und es nun aus etlichen Ländern nationalstaatlichere Tendenzen gibt und auch erheblichen Widerstand aus der linken Ecke des politischen Spektrums. Der damalige Wirtschaftsminister Phillip Rösler, FDP, hatte mit seinem deutschen Einfluss entscheidend dafür gesorgt, dass das Verhandlungsmandat der EU ein nicht-öffentliches ist. Hierauf basiert auch, dass die laufenden Verhandlungen geheim sind und Zwischenergebnisse auch nicht offengelegt werden. Nur im Falle, dass es zu einem positiven Verhandlungsergebnis kommen würde, würde dieser Vertrag der Öffentlichkeit präsentiert und müsste dann noch durch das EU-Parlament und die nationalen Parlamente der 28 ratifiziert werden.

Im Gegensatz zu anderen Freihandelsabkommen zwischen Staaten würde TTIP laut Falkowski vorallem den Produzenten und Händlern erhebliche Erleichterungen und Kosteneinsparungen ermöglichen. Positive Wirkungen auf den Konsumenten sind nicht bewiesen bzw. unsicher. In den Verhandlungen hat die USA vor allem ein Interesse an ungehinderten Zugang ihrer Agrar-Produkte auf dem europäischen Konsumentenmarkt sowie die EU ein Interesse an Zugang zum Bereich der öffentlichen Vergabe, insb. In der Rüstungsindustrie, auf dem US-Markt.

Die Verhandlungen werden in drei Gruppen geführt: Marktzugang, Regulierungsfragen sowie Regeln.

Der Punkt Marktzugang beinhaltet vor allem Zölle, die aber ohnehin im transatlantischen Handel eher gering sind. Regulierungsfragen beinhalten nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Dabei ist es im Rahmen der Verhandlungen von entscheidender Bedeutung, was als solches Handelshemmnis eingestuft wird. Dabei werden die Standards beider Seiten bewertet und verglichen. Im Optimalfall kann es dann zu einer gegenseitigen Anerkennung von Standards kommen, ohne dass diese gelockert werden. Im Falle von TTIP ist aktuell sehr fraglich, ob das gelingen wird.

Ein entscheidender Streitpunkt zwischen den Verhandlungsparteien ist auch das Thema der Schiedsgerichtsbarkeit. Referent Falkowski machte deutlich, dass in Freihandelsabkommen keine Regelungen über Schiedsgerichtsbarkeiten erforderlich sind und es daher ratsam wäre, diesen Punkt aus dem Abkommen bzw. den weiteren Verhandlungen herauszunehmen.

Im Anschluss an das Referat wurde kritisch über die Ziele des Abkommens und den aktuellen Verhandlungsstand diskutiert. Dabei waren sich die Anwesenden relativ einig darüber, dass Errungenschaften des europäischen und insbesondere des deutschen Sozialstaates in keinem Fall angetastet werden dürfen. Auch konnte durch eine geschickte Nachfrage deutlich gemacht werden, dass es im Falle des Abbaus von Zöllen zu Einnahmeausfällen der Staaten kommen wird und dass Ersparnisse in diesem Bereich wohl vor allem Aktionären und anderen Eigentümern von Unternehmen zugutekommen würden. Ob durch TTIP makroökonomische Verbesserungen zu erwarten wären und Arbeitsplätze geschaffen werden können, ist nach aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen als sehr unwahrscheinlich anzusehen. Allenfalls wird es zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen kommen.

„Basierend auf diesen Informationen gehe ich davon aus, dass die TTIP-Verhandlungen scheitern werden“, fasst SPD-Ortsvereinsvorsitzender Sebastian Schecker die Veranstaltung zusammen. „Sollte es dennoch zu einem Vertragsentwurf kommen, müssen wir diesen politisch sehr genau prüfen und vor der Abstimmung im Europaparlament und im Bundestag hierüber unseren Abgeordneten kritische Worte mit auf den Weg geben. Die SPD Griesheim und Bürgermeisterin Gabriele Winter sprechen sich deutlich dafür aus, dass die kommunale Selbstverwaltung und Einrichtungen der kommunalen Daseinsfürsorge, wie z.b. Wasserversorgung, Pflegeheime und Krankenhäuser sowie arbeitsrechtliche Regelungen, wie z.b. der Mindestlohn, nicht als Handelshemmnisse qualifiziert werden dürfen. Wir sind ebenfalls der Ansicht, dass Schiedsgerichte, vor denen Staaten von Investoren verklagt werden könnten, kein Bestandteil von Freihandelsabkommen sein dürfen. Diesbezüglich verweisen wir auch auf die einstimmige Resolution der Stadtverordnetenversammlung vom 10.12.2015.

 

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