Fairtrade-Handel fördern - aber was wollen die anderen Parteien?

Veröffentlicht am 20.12.2020 in Fraktion

Vertreter der Kooperation wollen Antrag verschieben


In der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung hatte die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht, dass Griesheim sich an der internationalen Kampagne der „Fairtrade-Towns“ beteiligen möge und den Titel einer „Fairtrade-Town“ anstrebt. Ziel einer solchen Kampagne ist es, dass sich verschiedene Akteure der Kommune gemeinsam für den fairen Handel einsetzen.
Gleichzeitig wurde gefordert, dass die Verwaltung künftig bei allen Sitzungen der Ausschüsse, des Magistrats und im Bürgermeister-Büro Produkte verwenden solle (z.B. Kaffee, Zucker, Kakao oder Orangensaft), die aus fairem Handel stammen.
Stadtverordnete Despina Aslanidou erläuterte den Hintergrund des SPD-Antrages und wie wichtig es sei, dass die Stadt eine Vorbildfunktion einnehme, um den fairen Handel zu fördern. „Die Bereitschaft der Stadtverordneten, sich diesem Antrag anzuschließen, bietet nur den Startschuss für ein faires und nachhaltiges Engagement auf kommunaler Ebene“, so Aslanidou.

Fünf Schritte auf dem Weg zur "Fairtrade-Stadt"

Denn die Auszeichnung als „Fairtrade-Stadt“ erhält man nur, wenn fünf Kriterien erfüllt werden. Dazu gehört
-    dass bei allen Sitzungen im Rathaus Fairtrade-Produkte eingesetzt werden,
-    dass eine lokale Steuerungsgruppe gebildet wird, die die Aktivitäten auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt koordiniert,
-    dass in den lokalen Einzelhandelsgeschäften, Cafés und Restaurants ebenfalls Produkte aus fairem Handel angeboten werden und
-    dass auch Bildungsaktivitäten zu diesem Thema durchgeführt werden und eine regelmäßige Berichterstattung in den Medien stattfindet.
Frau Aslanidou machte klar, dass dieser Antrag eine Art Grundsatzbeschluss sei, den die Stadtverordnetenversammlung fassen sollte, um sich auf diesen langen Weg zu begeben. „Denn Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen sich gemeinsam für den Fairen Handel stark machen. Nur der Faire Handel trägt zu einem würdevollen Leben bei Bürgern der armen Länder bei und sorgt für umweltgerechte Herstellungsmethoden.“ Anhand von Beispielen verdeutlichte sie den Hintergrund: „Ich möchte nicht, dass meine Kleidung von Näherinnen in Bangladesch und Indien genäht wird, die ausgebeutet werden und in baufälligen Fabriken arbeiten müssen. Oder dass die Bohnen für meinem Kaffee von Kindern geerntet werden.“

Griesheim noch nicht "reif" für die Unterstützung von fairem Handel??

Die SPD-Fraktion hatte erwartet, dass dieser Antrag ohne große Diskussionen auch von den anderen Fraktionen mitgetragen würde, aber sie wurde eines Besseren belehrt. In der Sitzung entspann sich eine langwierige Diskussion und es wurden eigentlich nur Argumente gegen diesen Antrag eingebracht:
Frau Dr. Nake (FDP) fand den Antrag in Zeiten der Corona-Pandemie völlig ungeeignet, denn schließlich hätten ja die Cafés und Restaurants zur Zeit geschlossen. Herr Schmachtenberg (WGG) betrachtete den Antrag als populistisch, man solle ihn in die nächste Legislaturperiode verschieben, denn Anträge mit langfristigen Auswirkungen sollten die neuen Stadtverordneten selber beschließen. Herr Tichy (Bündnis90/Die Grünen) erläuterte, dass die besten Teesorten nur von Kinderhänden gepflückt werden könnten. Und das Griesheim noch nicht „reif“ sei für solch einen Antrag.
Die SPD-Stadtverordnete Gladys Burk, die seit Jahren ganz aktiv in gemeinnützigen entwicklungspolitischen Organisationen mitarbeitet, war so erschüttert von dieser Argumentation der KOOPERATION, dass sie vorzeitig die Versammlung verließ.
Um eine Ablehnung des Antrages durch die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung zu verhindern, beantragte Fraktionsvorsitzende Ingrid Zimmermann schließlich, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen. Als Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Soziale, Kultur und Sport (JSKS) lehnte Herr Tichy allerdings die Übernahme ab, es sei kein soziales Thema, sondern es ginge lediglich um die Beschaffung, sei also ein Finanzthema und sollte deshalb in den Wirtschafts- und Finanzausschuss überwiesen werden.

Was fehlt, ist der politische Wille, einem Antrag der SPD zuzustimmen!

„Es war eine unsägliche Debatte“, kritisierte Zimmermann, „und ich habe mir nicht vorstellen können, dass die Menschen, die hier in der Stadtverordnetenversammlung sitzen, die Unterstützung des Fairen Handels ablehnen würden. Mit unserem Antrag wollen wir ein nachhaltiges entwicklungspolitisches Engagement auf kommunaler Ebene anstoßen. Denn wenn wir Stadtverordnete zustimmen, uns auf den Weg zur Fairtrade-Town zu begeben, übernehmen wir auch eine soziale Verantwortung und damit eine Vorbildfunktion für Bürgerinnen und Bürger.“ Der Antrag habe für die Stadtverwaltung keine großen finanziellen Auswirkungen und es gebe bereits heute schon aktive Bürger in Griesheim, die sich mit diesem Thema beschäftigten; es gebe Geschäfte, die Fairtrade-Produkte verkauften und all diese Menschen gelte es zu vernetzen und zusammenzubringen.
„Wir hoffen,“ so Zimmermann abschließend, „dass sich die Vertreter*innen der Kooperation bis zur nächsten Ausschusssitzung beraten und am Ende doch noch unserem Antrag zustimmen. Aber klar, der politische Wille muss da sein, den Fairen Handel auch in unserer Stadt zu fördern.“

 

 

Mitglied werden

SPD Bund

spd.de